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ADHS als Ausrede?
#1
Achtung, sich bitte nicht auf die Füße treten fühlen. Es ist neutral gemeint, es ist eine Frage bezüglich der persönlichen inneren Einstellung gegenüber psychischen Beschwerden allgemein und ich stelle adhs nicht in Frage. Vorab. Bitte mich nicht angreifen. Ich möchte nur Frieden. Und Austausch, nur wo es in Frieden geht. 

Ich durfte heute im allgemeinen Zusammenhang mit Beschwerden ein Wort von einem so etwas wie befreundeten Professor lernen, nämlich "verdinglichen". Es ging darum, dass (sinngemäß wiedergegebenes Zitat) die Gefahr dabei sei, sich an die Beschwerden zu klammern, zum Begleiter zu machen und sich das Leben nicht mehr ohne vorstellen zu können (was dann nicht förderlich wär. Das war dann mein spontanes Kommentar dazu). 

Jetzt zermatter ich mir noch den Kopf darüber, ob es gut ist oder nicht, von adhs wie von einem Begleiter zu sprechen ("mein ADHS"). Eigentlich finde ich das gut, denn es geht und läuft und kriecht nicht weg. Also kann es von mir aus auch ein Begleiter sein. Dennoch hat mir die Bemerkung einen geistigen Knochen gegeben, an dem ich mir die Zähne ausbeiße. Ich weiß nicht wie darauf reagieren. Das ist eine schwierige Frage, finde ich. Es geht mir um den Gedanken.

Ich weiß, das Terrain ist schweinemuttiempfindlich (und nein, ich gebe keine Daten weiter, der Mann wird nicht geschädigt)
​​​​Lehnt man sich selbst ab, wenn man als ADHSler einen solchen Gedanken denkt?

(lieber zu) Vorsichtigen, dennoch offenen Gruß 
LG
KTT
Folgende 1 Mitglied dankten KTT für diesen Beitrag:
  • Minzi
#2
Nun, nach dem was ich immer wieder gelesen habe, ist ADS vererbt, also, angeboren, nicht etwas dass kommt oder geht wie eine Depression oder eine Grippe.

Mich geht es besser, wenn ich ADS als ein Teil von mich sehe, wie vieles anderes dass mein Person ausmacht und lerne damit zu leben.
Folgende 4 Mitglieder dankten Unkrauthexe für diesen Beitrag:
  • Mantarochen, Romina, KTT, marie
#3
Hallo KTT,

mir kommen da spontan verschiedene Gedanken in den Kopf. Aber ich weiß nicht, ob ich zu müde bin, sie noch richtig zu greifen oder zu schreiben.

Der eine war der Gedanke an "Krankheitsgewinn". Also, ob es in dem Gespräch ums Verdinglichen eventuell auch darum gegangen sein könnte?!
Dass man  von einer Sache (Krankheit) nicht loskommt oder sie nicht "aufgeben" kann oder will, weil daran in irgendeiner Form (vermeintlich) positive Begleitumstände hängen...

Der andere Gedanke war:
Zitat:...die Gefahr dabei sei, sich an die Beschwerden zu klammern, zum Begleiter zu machen und sich das Leben nicht mehr ohne vorstellen zu können

ADHS ist da. Ich MACHE es nicht zu meinem Begleiter. Ich kenne mein Leben auch nicht ohne.
Ich kenne ein Leben vor und nach der Diagnose. Aber keines ohne ADHS.
Also wäre die Vorstellung, ein Leben ohne ADHS zu leben, auch nur eine Phantasie. So wie die Phantasie darüber, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich als Mann geboren wäre oder in einem anderen Land oder oder oder. Ich kenne nur mein Leben als Frau, geboren in diesem Land.

Die Formulierung "mir etwas nicht mehr vorstellen zu können", impliziert für mich die Voraussetzung, dass es vorher schon mal etwas anderes gegeben haben muss...?!
Das hat es aber nicht. Nur die Beschwerden haben sich eventuell mit den Jahren gewandelt.

Die Gefahr, sich "an die Beschwerden zu klammern" an sich, sehe ich hingegen durchaus.
Aber mir gefällt die Formulierung an der Stelle nicht so gut. "Beschwerden sehen, (an-)erkennen, ernstnehmen, bewusst wahrnehmen, daran arbeiten, akzeptieren, manchmal vielleicht auch darauf ausruhen..." würde ich es nennen. Je nachdem, was dann folgt.

Ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob ich ADHS als meinen Begleiter empfinde. Es ist halt da.
Indem ich es anerkenne (und von mir aus auch als Begleiter denke), habe ich die Wahl, wie ich mit den Schwierigkeiten/Beschwerden, die mein Begleiter mit sich bringt, umgehe. Ich habe aber nicht wirklich die Wahl, ob er mich begleitet...

Die innere Einstellung zu psychischen Beschwerden ändert also (meiner Meinung nach) nichts daran, ob ich die Beschwerden habe, sondern eher daran, wie ich mit den Beschwerden umgehe.

Keine Ahnung, ob das verständlich ist?!

Vielleicht war es in eurem Gesprächskontext aber auch anders gemeint.
 
Zitat: 
Lehnt man sich selbst ab, wenn man als ADHSler einen solchen Gedanken denkt?


Ob "man" sich ablehnt, weiß ich nicht.
Grundsätzlich finde ich es nicht verkehrt, sich selbst auch kritisch zu hinterfragen!

Jedoch empfinde ich es als auch nicht "förderlich", aus der Idee heraus, dass ich mich vielleicht (unberechtigt oder kontraproduktiv) "an Beschwerden klammern" könnte, diese nicht anzuerkennen und deshalb gegen Windmühlen zu laufen, statt die Probleme ernst zu nehmen und gesündere Wege für den Umgang damit zu finden... Denk

Soviel zu meinen ein bisschen müden Gedanken heute :-)

(Das "Heute" war gestern am späten Abend. Dann hatte ich den Beitrag aber nicht mehr abgeschickt Pfeif . Aber jetzt!)
Folgende 3 Mitglieder dankten Romina für diesen Beitrag:
  • KTT, Eti, Unkrauthexe
#4
(20.05.2020 20:12)KTT schrieb: .....

Ich durfte heute im allgemeinen Zusammenhang mit Beschwerden ein Wort von einem so etwas wie befreundeten Professor lernen, nämlich "verdinglichen". Es ging darum, dass (sinngemäß wiedergegebenes Zitat) die Gefahr dabei sei, sich an die Beschwerden zu klammern, zum Begleiter zu machen und sich das Leben nicht mehr ohne vorstellen zu können (was dann nicht förderlich wär. Das war dann mein spontanes Kommentar dazu). 

Jetzt zermatter ich mir noch den Kopf darüber, ob es gut ist oder nicht, von adhs wie von einem Begleiter zu sprechen ("mein ADHS"). Eigentlich finde ich das gut, denn es geht und läuft und kriecht nicht weg. Also kann es von mir aus auch ein Begleiter sein. Dennoch hat mir die Bemerkung einen geistigen Knochen gegeben, an dem ich mir die Zähne ausbeiße. Ich weiß nicht wie darauf reagieren. Das ist eine schwierige Frage, finde ich. Es geht mir um den Gedanken.
....

Deine Gedanken kann ich gut nachvollziehen. 
Bei mir war es nicht immer gleich. 
Ich persönlich mag es nicht so wenn ich das Gefühl bekomme jemand definiert sich vor allem über ADHS und nicht über seine Persönlichkeit. (ADHS kann ersetzt werden mit ASS/ Depression etc.) 
Alles Eigene steht unter dem Stern ADHS und ist darauf zurückzuführen und wird dadurch "ADHS" der Begleiter/ Grund im Leben das etwas passiert oder nicht geschehen kann. Ich empfinde das längerfristig als anstrengend.

ADHS ist ein wichtiges Thema, begleitet mich, ist da, ist treu und macht sich täglich bemerkbar.
Natürlich braucht es Zeiten, wo man sich als Betroffene(n) intensiv damit auseinandersetzen muss um weiterzukommen. Auch ich habe jahrelange Psychotherapie hinter mir. 
Der Besuch von Psychoedukations Kurs zum Thema ADHS hat mir sehr geholfen im Denken und Umgang. Da wird systematisch, strukturiertes und wissenschaftlich fundiertes Wissen zum Thema ADHS vermittelt. 
Ich habe mich durch diese Prozesse (Therapie, Psychoedukation) besser kennen gelernt. 
Ich dieser Phase war das ADHS wohl mein "verdinglichter" Begleiter. 

Die Wut und Ungerechtigkeit dass ich Betroffen bin und einiges was ich gerne gemacht hätte und gerade durch meine ADHS nie erreichen werde, hat sich eingestellt. 
Unterdessen denke ich, dass alle Menschen mit eigenen Grenzen umgehen lernen müssen. 
Der Schein trügt oft von Aussen.

Es ist einfach so und ok. 
Ich habe das Privileg, dass ich in meinem Leben Nischen und gute Strategien gefunden habe, 
mit denen ich, so wie ich bin, gut leben kann.
Ich versuche mich mit schönen Momenten durch den Tag zu fischen.
Da zum Beispiel kommt mir das ADHS zu gute.

Somit hat sich über die Jahre der Blickwinkel zu meinem ADHS verändert. 
Es ist wie eine Welle, die sich immer mal wieder etwas kräuselt.
Genaus so begleitet mich die Sonne, der Wind und das Meer. 

Oder so...... sitze gerade auf dem Balkon am Schatten mit einem sanften Lüftchen bei wunderbarem Sonnenwetter. 
 Sonne
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  • Minzi, KTT, Romina
#5
@Romina Doch, das ist verständlich, Du hast wohl ausformuliert, was mich am Ganzen gewurmt hat.
Es ging in dem Kontext um das Beispiel Depressionen, dass manche Leute sich darin gewanden, um durch Mitleid Aufmerksamkeit zu bekommen. Es wird etwas anders sein, bzw. der Unterschied ist dann gut greifbar. Ob man die Möglichkeit hat oder eines Tages haben wird, es abzulegen oder nicht. 
@all Danke für die Erklärungen, die guttuende Klarheit bringen. 
VG
Folgende 3 Mitglieder dankten KTT für diesen Beitrag:
  • Minzi, Eti, Romina
#6
Hallo KTT,

nun habe ich Deinen Eingangspost nochmal aufmerksamer durchgelesen und frage mich grad, ob der befreundete Professor von Dir denn ADHS als solches als eine rein "psychische" Störung sieht?

Ein wenig liest sich das für mich so. Denk



Selbst bei Depressionen, von denen Du ja auch schreibst, kommt man doch inzwischen schon länger davon ab, nicht auch die neurologische Komponenten und geerbten oder neu mutierten genetischen Veranlagungen zu sehen.


Früher gab es doch z.B. da die Unterscheidung zwischen der endogenen Depression und der reaktiven Depression.


Jetzt wird oft eher eine psychosoziale und einen neurobiologische Seite gesehen, die einander aber natürlich auch nicht ausschließen.

Aber gut, das wäre nochmal ein eigenes Thema. Zwinker
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  • KTT, Eti, Minzi, kannso
#7
Ich sehe es auch so, dass man Adhs ein Leben lang behält. Man kann es als Klotz am Bein sehen oder Begleiter in guten wie in schlechten Zeiten. Aber ich hätte nichts davon es los werden zu wollen, weil es nicht geht. Also lebe ich damit und mir geht es so besser. Ich schiebe nicht alles auf das Adhs, ruhe mich nicht darauf aus. Ich sehe es nicht ein, gegen alles zu kämpfen. Ich vergesse Dinge, schiebe sie auf, was auch immer. Ich versuchen anderen nicht damit zu schaden oder nicht zu sehr, aber mich dauernd deshalb zu zerfleischen nutzt niemandem. Diese Kämpfe machen nur kraftlos und müde. Ich lache gerne über mich und MEIN Adhs. Das tut mir gut und nimmt manchen Dingen die Strenge.

Glücklicherweise gibt es immer mehr gebildete Menschen, die sehen, dass es keine rein psychischen Störungen sind, die man dauerhaft behandeln kann, wie z.B. eine reaktive Depression oder Überarbeitung.
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  • kannso, evoli, Chubasco, KTT, Eti