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Heute kam mir plötzlich der Gedanke:
Eigentlich habe ich (diagnostiziertes ADHS) kein Aufmerksamkeitsdefizit…
Im Gegenteil, ich bin ein sehr aufmerksamer Mensch.
Ich bekomme viel mehr Dinge um mich herum mit, als die meisten anderen in meinem Umfeld.
Mein Problem liegt eher bei der Fokussierung meiner Aufmerksamkeit.
Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass ich sehr aufmerksam bin, wenn ich in meinen Gedanken „verloren“ bin….
Nur dass meine Aufmerksamkeit in diesen Momenten eben nach innen, auf meine Gedanken, gerichtet ist.
Kann es sein, dass die Gesellschaft (mehrheitlich Neurotypische) festlegt, dass jemand mit ADHS/ADS nicht aufnerksam ist, nur weil seine Aufmerksamkeit anderen Dingen gilt???
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... ein schönes Thema und wie so oft denke ich: Definiere xyz, in diesem Falle:
Zitat:Aufmerksamkeit
[engl. attention], [KOG, WA], Aufmerksamkeit im kognitionspsychol. Kontext (Kognitionspsychologie) bezieht sich auf die Fähigkeit, Informationen zu selektieren und andere zu ignorieren, um diese zur Grundlage von Wahrnehmung, Denken und Handlungen zu machen.
https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/aufmerksamkeit
Nach dieser Definition ist meine Aufmerksam wirklich defizitär.
Bei mir ist momentan schon Feierabendstimmung. Da jedoch ein interessantes Thema in meinen Fokus tritt, MUSS ich googeln und eine Antwort formulieren, wenigstens einen Aspekt beleuchten. Ich schaffe es nicht, meine Aufmerksamkeit auf meine aktuelle Lebenssituation zu richten und mir einfach nur ein Brot zu schmieren. Lieben Gruß .
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Nach dieser Definition ist meine Aufmerksamkeit auch defizitär.
Genau das meine ich aber. Da wird von jemandem festgelegt,
WAS Aufmerksamkeit ist, WIE Aufmerksamkeit zu sein hat.
Nach meinem Empfinden ist Aufmerksamkeit einfach „nur“ die Fähigkeit, meine Wahrnehmung auf etwas zu richten.
Aber auf was, das unterscheidet sich von anderen.
Und wenn es darum geht, meine Aufmerksamkeit bewusst auf etwas zu richten oder richten zu können, ist das eher eine Frage der Fokussierung.
Okay, das sind jetzt alles nur Begrifflichkeiten und Definitionen….
Aber genau durch diese Normierung von Fähigkeiten,
werden wir neurodiversen Menschen gesellschaftlich in die Ecke der Gestörten gestellt.
Es gibt seit einigen Jahren einen neuen Blick auf „Behinderung“, der davon ausgeht, dass nicht ein bestimmtes abweichendes körperliches, mentales oder seelisches Merkmal eine Behinderung definiert, sondern die daraus resultierende Behinderung von Handlungen, die gesellschaftlich normiert sind. Wenn sich die Gesellschaft verändert und es mehr Spielräume gibt für alternatives Handeln, schwindet Behinderung aus dem Fokus der gesellschaftlichen Wahrnehmung und das einzelne Individuum, ob mit oder ohne Behinderung erlebt sich viel handlungsfähiger, als es in der starren Normierung der Fall ist.
Also weg mit Barrieren in der materiellen Welt und in den Köpfen!
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Habe nochmal Maries Beitrag gelesen.
Stimmt, wenn es darum geht, ob ich die Wahl habe,
worauf ich meine Aufmerksamkeit richte: Googeln oder mir ein Brot machen?
und ich das eben nicht immer frei entscheiden kann, weil mein Gehirn JETZT aber googeln WILL/MUSS, obwohl ich dringend essen müsste…. Ja, das würde ich für mich auch als defizitär bezeichnen.
Hoffentlich konntest du inzwischen was essen Marie
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Sprunghafte Konzentration.
Ich kann mich sehr gut Konzentrieren, wenn es sich für mich Lohnt.
Wenn sich etwas anderes mehr lohnt springe ich dort hin.
Und ich kann bei Bedarf viel springen.
Manchmal hab keinen Einfluss darauf ob ich springe.
Gemein ist wenn zwei Sachen gleich lohnen.
Und ich bin Neugierig ob es da etwas gibt was sich lohnen könnte.
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(26.11.2024 18:37)Eichhörnchen schrieb: Hoffentlich konntest du inzwischen was essen Marie
Ja, ich bin nun fertig mit Abendbrot und habe auch danach noch ein Thema mit weitreichender Entscheidung durchdacht und kommentiert, also echt gearbeitet, nachdem ich vorhin durch Deinen Beitrag, nochmal 'zum Computer und Denken' abgebogen war.
Und mit dieser Erkenntnis über meine Leistungsfähigkeit (die Deiner und vllt allen hier, ähnlich groß ist) gebe ich Deiner Eingangsfrage emotional nach, will meinen: Per Definition habe ich ein Aufmerksamkeitsdefizit und in den Abläufen der Mehrheitsgesellschaft gibt es einige Behinderungs-Fallen,
aber ich selbst sehe mich im Zusammenhang mit meinen eigenen Ansprüchen an mich und mein Leben NICHT als defizitär an. Für mich ist es egal, dass ich mir vorhin nicht einfach ein Brot schmieren konnte, denn das war auch zehn Minuten später noch möglich und erfüllte auch dann noch seinen Zweck.
Ich glaube, dass Du in einem so ähnlichen Gedankenkontext diesen öffentlichen Thread eröffnet hast und bin diesbezüglich, wie gesagt, 'ganz bei Dir' .
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(26.11.2024 18:58)Coco schrieb: Sprunghafte Konzentration.
Ich kann mich sehr gut Konzentrieren, wenn es sich für mich Lohnt.
Wenn sich etwas anderes mehr lohnt springe ich dort hin.
Und ich kann bei Bedarf viel springen.
Manchmal hab keinen Einfluss darauf ob ich springe.
Gemein ist wenn zwei Sachen gleich lohnen.
Und ich bin Neugierig ob es da etwas gibt was sich lohnen könnte.
so ähnlich wie Coco das beschreibt, ist es bei mir auch.
(26.11.2024 17:16)Eichhörnchen schrieb: Eigentlich habe ich (diagnostiziertes ADHS) kein Aufmerksamkeitsdefizit…
Und ich finde auch dass, es kein Aufmerksamkeitsdefizit bei mir ist, sondern eher ein "Aufmerksamkeits-Steuerungs-Defizit", weil es mir oft schwer fällt, meine Aufmerksamkeit da zu halten, wo ich sie gerade haben will. Eben wenn es verschiedenes gleichzeitig gibt, was mich interessiert, dann kann ich schwer Prioritäten setzen und eines nach dem anderen machen, sondern meine Aufmerksamkeit versucht bei allem gleichzeitig zu sein, was mich dann ab einem bestimmten Maß überfordert.
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Wir haben ja schon an anderer Stelle festgestellt,
dass es bei uns neurodivergenten Menschen zwar einige grundlegende Übereinstimmungen gibt,
ansonsten jedoch auch recht viele individuelle Unterschiede im Ausprägungsgrad und auch wie es sich für uns selbst und nach außen zeigt.
Und ich finde die Unterscheidung so wichtig,
WER stellt fest, dass ich ein Defizit habe?
Ich selbst, weil ich etwas nicht so hinbekomme, wie ich es gerne hätte oder bräuchte.
Oder wird mir von außen gesagt: Du hast ein Defizit, obwohl ich selbst es gar nicht so empfinde….
Im schlimmsten Fall wachsen wir damit auf, dass uns immer wieder vorgehalten wird,
wir hätten dieses oder jenes Defizit. Bis wir es selbst glauben… obwohl wir in manchen oder auch vielen Fällen andere Lösungsstrategien haben als der Neurotypische Mensch und wir aber gar nicht dazu kommen, diese Strategien anwenden zu können, weil sie nicht der vorgegebenen Norm entsprechen und von anderen von vornherein abgelehnt werden.
Ist wieder mal sehr schwierig für mich das auszudrücken, was ich meine. Ich hoffe, ihr versteht mich.
Ein Beispiel: Mein Freund Martin hatte große Probleme in der Schule, vor allem in Mathematik. Aber nur deshalb weil er zu den richtigen Lösungen der Rechenaufgaben auf anderen (selbst kreierten) Wegen gelangt ist, als die vom Lehrplan vorgegebenen Rechenwwge. Er wurde also immer schlecht benotet, obwohl er total kreativ war und auf seine eigene Weise immer zum richtigen Rechenergebnis gelangt ist.
Noch ein Beispiel: Obwohl ich angeblich unaufmerksam bin, habe ich bei meinem Servicejob im Restaurant (vor etlichen Jahren) immer als einzige sofort bemerkt, wenn einem Gast die Serviette runtergefallen ist und sofort eine neue gebracht. Meist hatte es noch nicht einmal der Gast selbst bemerkt.
Klar, manche Dinge, die Neurotypische Menschen bemerken, kriege ich nicht mit (weil uninteressant oder was auch immer), aber dafür ganz viele viele andere Dinge. Deshalb ja auch diese Sprunghaftigkeit…
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Es ist einfach eine andere Art von Aufmerksamkeit. Die Menschen die das nicht haben auch falsch verstehen können.
Ja alleine schon schon dieses Aufmerksamkeitsdefzit total blöd und irgendwie so falsch.
Ich konzentriere mich einfach anders.Ich bemerke Dinge die Neurodiverse gar nicht mitbekommen.
Das mit dem Rechenweg habe ich auch.
Wenn man so will hab ich wenn ich im Supermarkt unterwegs bin ein größen Defizit mit mein 163 cm.
Bin ich in der hinsicht krank? Oder Behindert?Meine Umwelt behindert mich im Supermarkt! Weil ich immer wieder irgendwo nicht ran komme. Ich passe da nicht in diese unfaire Norm!
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(26.11.2024 22:14)Eichhörnchen schrieb: WER stellt fest, dass ich ein Defizit habe?
In der Regel die Umwelt. Wenn Du Anforderungen, die andere an dich stellen, im Unterschied zu den meisten, an die die gleichen Anforderungen gestellt werden, nicht erfüllen kannst. Natürlich spielt es eine große Rolle, in welcher Umgebung du dich befindest. In einer Gruppe von Leistungssportlern hat der ein Defizit, der nicht bereit ist, alles zu geben. In einer Gruppe von Lernschwachen hat der ein Defizit, der trotz hervorragender Betreuung immer noch überhaupt nichts zustande bringt.
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Und unter Vögeln der Fisch, der immer wieder vergeblich versucht zu fliegen…
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