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AD(H)S und Ziele
#1
Question 
Hallo zusammen

Ich bin jetzt Mitte 30, und habe seit fast einem Jahr meine AD(H)S Diagnose. Das H bestreite ich immer noch, aber mit dem Rest finde ich mich langsam ab. ?

Nun ist es so, dass ich zeitlebens immer mit einem Problem konfrontiert war, welches ich in nächster Zeit wieder anpacken muss: Ziele. Und zwar mittel- und langfristige.
Ihr wisst schon: "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?"

​​​​​​Ich hasse diese Fragen. Schon seit der Schule, als es mit der Beurfswahl losging, konnte ich mit dieser Frage nichts anfangen. "Was will ich werden?" ist auch so eine. ?

​​​​​​Nun stelle ich mir aber immer häufiger die Frage, ob diese Ziellosigkeit wirklich ein Charakterzug ist, oder ob er mit der Krankheit zusammenhängt. Daher meine Frage an euch (Betroffene):

Wie ist das bei euch mit Zielen? Habt ihr mittelfristige oder sogar langfristige Ziele? Erreicht ihr die auch? Oder habt ihr wie ich einfach keinen Plan und nehmt das Leben jeden Tag?
Wenn ihr Ziele habt, erreicht ihr die "locker", oder betreibt ihr dafür einen grossen Aufwand? Was hat euch geholfen, solche Dinge zu schaffen?


ich danke euch für's Lesen und wünsche euch allen ein schönes Wochenende

Nachteulchen
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  • Lampignon, Revil O, marie
#2
Ich bin absolut Zielstrebig und wenn ich was wirklich will, ziehe ich das auch gnadenlos durch.
Ich befasse mich dann mit diesen Thema, zB meine Erwerbsminderungsrente, und studiere Gefühlt 24h wie ich das Ziel erreichen kann.
Mein langfristiges Ziel ist, in frieden Leben, ohne kämpfen zu müssen, ob ich das erreiche weiß ich nicht.
Mein Leben ist voll durchgeplant, muss es auch, weil ich meine Tochter und meinen Hund versorgen muss/will und wenn ich was mache, dann versuche ich immer 100%, Perfektionist.
Ich bin von Natur aus ein Kämpfertyp, war ich schon immer....wie sonst hätte ich 30 Jahre arbeiten können?
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  • Revil O, Emely, marie, Brunhilde78
#3
Ich hab eher kurz- und mittelfristige Ziele, z.B. Abi, Führerschein, Studium schaffen, Job finden, handwerkliches Projekt fertigmachen usw.

Bisher habe meine Ziele immer erreicht, obwohl ich wenig Selbstwertgefühl habe und wenig zuversichtlich bin, wenn es schwierig wird. Das schwerste war, einen passenden Beruf und einen interessanten Job zu finden, von dem ich leben kann. Das hat ab Abi 20 Jahre gedauert.

Wichtig für mich ist eine hohe Motivation, entweder extrinsisch, weil durch Erreichen des Ziel ein großer Leidensdruck entfällt (z.B. Arbeitslosigkeit) oder weil das Ziel die Belohnung ist (z.B. grosses Motorrad fahren dürfen) oder aber intrinsisch, weil das Projekt einfach Spaß macht (z.B. Werkeln).

Ich darf mir nur nicht zuviel auf einmal vornehmen, sonst überfordert mich das. Am besten eins nach dem anderen.

Langfristige, abstrakte Ziele hab ich aber auch. Aber "erfolgreich sein", "Karriere machen" o.ä. ist mir zuwider, mir geht es eher um "maximal Spaß haben", Reisen, Abenteuer erleben. Hoffentlich kann ich all das auch in 5 Jahren immer noch.
Andi gefällt dieser Beitrag
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  • Brunhilde78, Emely, Sniper
#4
(07.05.2021 15:32)Nachteulchen schrieb: Wie ist das bei euch mit Zielen? Habt ihr mittelfristige oder sogar langfristige Ziele? Erreicht ihr die auch? Oder habt ihr wie ich einfach keinen Plan und nehmt das Leben jeden Tag?
Wenn ihr Ziele habt, erreicht ihr die "locker", oder betreibt ihr dafür einen grossen Aufwand? Was hat euch geholfen, solche Dinge zu schaffen?

Hallo Nachteulchen,

also ich bin 37 Jahre ohne Ziele und Pläne durchs Leben gestolpert.
Hatte immer nur so Sehnsüchte und wage Vorstellungen, aber konkrete Überlegungen überforderten mich.

Als mein Sohn geboren wurde, änderte sich das. Auf einmal begriff ich , dass mein Unglücklichsein mitunter daran lag,
dass ich nichts erreiche, oder erreicht habe ( damit meine ich nicht Karriere oder so was, sondern allgemeine Vorhaben,
die ich nicht in die Tat umsetze, nur Träume ).
Die Erkenntnis ( musste dann noch 2 Jahre reifen ) ließ mich nun doch Pläne schmieden.

Ich habe mir meine Planlosigkeit zum einen so erklärt, dass meine Eltern beide auch so sind, so fehlten natürlich
die Vorbilder und zum anderen bin ich total unstrukturiert und lasse mich leicht ablenken. Wie da einen Plan schmieden? Lachen

Aber wie kann ich das ändern? Vor dieser Problematik stand ich auch.
Dann bahnte sich schon an, dass mein altes Auto bald den Geist aufgeben wird. Ich habe mir ganz konkret einen
Kaufpreis für ein neues gesetzt und monatlich darauf hin gearbeitet. Und siehe da, es hat sich für mich
verdammt gut angefühlt als ich mein Ziel erreicht hatte! Ich habe mich das aller erste Mal nicht enttäuscht! Top

Für meine Zukunftspläne mache ich das so, dass ich überlege, wie kann ich XY erreichen, was muss dafür gemacht werden und vor allem, mit welchen Schritten kann ich anfangen?
Das Vorhaben heute nicht geschafft? Bitte gnädig zu Dir sein, vielleicht doch in kleinere Schritte aufteilen. Troest

Fällt Dir nix ein? Dann schau auf Deine Sehnsüchte.

LG
Revil O gefällt dieser Beitrag
Folgende 4 Mitglieder dankten manugrande für diesen Beitrag:
  • Revil O, ComsiComsa, Brunhilde78, Sniper
#5
Danke euch schonmal für die Antworten.
Demnach ist es definitiv eine Charakterfrage, bzw ein persönliches Problem. ?

Mal schauen, ob und wie ich das mal endlich in den Griff bekomme. Einfach nur in den Tag hinein leben ist so dermassen unbefriedigend auf lange Sicht.
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  • Revil O, Brunhilde78
#6
(10.05.2021 15:05)Nachteulchen schrieb: Demnach ist es definitiv eine Charakterfrage, bzw ein persönliches Problem. ?

Hallo Nachteulchen,

das würde ich auf jeden Fall nicht pauschal sagen.

Ich stehe noch ganz am Anfang mit meiner Diagnose und sammle selbst erst noch Infos,
aber bei einer Depression z.B. gibt es ja auch zwei Formen, die biologische (Botenstoffe werden nicht weiter gegeben),
dann kannst Du so viel Willen haben wie Du willst, es geht einfach nicht.
Und die persönliche.

Ich denke bei AD(H)S ist es so ähnlich, aber bitte hol Dir professionelle Hilfe, vielleicht helfen Medikamente gegen
Antriebslosigkeit? Das muss aber von Spezialisten abgeklärt werden.

Bei mir wird es einen Mischung sein, Elternhaus und vielleicht auch das ADS? Denk
Ich weiß selbst noch zu wenig darüber...
Aber ich fühle mich seit der Diagnose besser. Vorher habe ich immer gedacht, ich bin einfach nur dumm...
und das war für mein Selbstwert ganz schlecht.

LG Manugrande
Folgende 2 Mitglieder dankten manugrande für diesen Beitrag:
  • Revil O, Sniper
#7
Hallo manugrande

Danke dir. Ich bin seit einer ganzen Weile in Therapie, bekam auch erst dadurch die Diagnose.
Die Antriebslosigkeit ist durch die Therapie (inkl. Medikament) sehr viel besser geworden, aber ich habe noch immer absolut keinen Plan, was meine Ziele angeht. Ist bei mir evt auch eine Frage der pers. Vorgeschichte (Mutter plötzlich an Krebs erkrankt, Grossvater unerwartet gestorben, viele solche unerwartete Ereignisse, die mich gelehrt haben, dass nichts wirklich planbar ist).

Aber danke dir. Ich hoffe, du findest auch deinen Weg und bekommst die Hilfe, die du brauchst. ?
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  • Andi, Emely, Revil O, Brunhilde78
#8
Hallo Nachteulchen..

Ziele sind so ein Ding bei mir. Man könnte sie wohl Träume nennen, weil ich für die wenigsten den Antrieb aufbringe überhaupt anzufangen und davon nochmal 90 % an der Verwirklichung scheitern. Das einzige was ich mir vorgenommen habe und seitdem kontinuierlich verfolge ist im Malen besser zu werden.

Im Moment ist mein größtes Ziel einfach Überleben. Überleben, ohne in depressive Tiefs zu rutschen oder der Familie gegenüber unfair zu werden.

Ich denke, es hängt nicht nur vom Charakter oder dem ADHS ab.. Sondern zum großen Teil in welcher seelischen Verfassung man sich allgemein gerade befindet.

In diesem Zusammenhang kommt mir die Bedürfnispyramide in den Sinn. "Sinnfindung" ist gerade nicht die Stufe, auf der ich mich befinde - Auch wenn meine Bedürfnisse weniger körperlicher Natur sind würde ich mich gerade beim Bedürfnis nach Sicherheit wiederfinden. Meiner ganz persönlichen, eigenen Sicherheit und Stabilität.
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  • Nachteulchen, Sniper, Lampignon, Andi, Emely
#9
Au Ja, eigene Sicherheit und Stabilität.
Träum....
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  • Emely
#10
(10.05.2021 15:05)Nachteulchen schrieb: Demnach ist es definitiv eine Charakterfrage, bzw ein persönliches Problem. ?


Du bist jedenfalls nicht die einzige mit diesem Problem. Bei meiner Diagnose steht das H für hypo. Aufmerksamkeitsdefizit und wenig Antrieb (was über die Jahre immer schlimmer wurde)

Ziele hatte ich auch nie. Höchstens ganz schwammig. Das war schon in der Schulzeit so und ist es bis heute.

Ich hätte gerne ein kleines Häuschen im Grünen und (wieder) eine Katze.
Das mit dem Häuschen ist aber nun mal etwas realitätsfern. Aber dennoch träume ich davon. Da kann ich Musik machen und laut sein. (und muss keine betrunkenen Nachbarn seine Familie anschreien hören).
Und einfach noch Freude am und im Leben haben.

Viel konkreter bekomme ich das nicht gesagt. Und einen Plan hatte ich auch nie.

(07.05.2021 19:57)Spökenkieker schrieb: Ich hab eher kurz- und mittelfristige Ziele, z.B. Abi, Führerschein, Studium schaffen, Job finden,


Solche Ziele hatte ich natürlich auch. Sie ploppten ja meist auch automatisch vor einem auf und man brauchte sie auch irgendwie zum Leben.
Aber was Lebensgestaltung anging, war ich immer unkreativ KA ich machte recht unstrukturiert das was mir in den Sinn kam (oder inzwischen was die Energie hergibt). Bis heute.
Brunhilde78, Sniper, Nachteulchen gefällt dieser Beitrag
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  • Spökenkieker, Emely
#11
Für mich habe ich gelernt, dass sich das mit den Zielen schon ergibt, wenn man etwas macht worauf man richtig Bock hat. Wenn man spürt: That´s it! Dann springt der Hyperfokus an und dann geht was. Da braucht´s dann jemanden der riecht, dass du Feuer gefangen hast, der an dich glaubt und dich motiviert. Ich glaube, dass es schon dem ADHS zu verdanken ist, dass meine Ziele und Wünsche nicht so konform mit der Allgemeinheit gehen. Früher habe ich darunter gelitten, habe versucht mich anzupassen, dann mich aufzulehnen, dann zu flüchten, bis auf die Straße. Auch Therapien und Psychiatrieaufenthalte haben mir nicht das gebracht, was ich gebraucht hätte, wusste ich doch selbst nicht was es war, ausser dass es aufhört. Aber Stück für Stück habe ich gelernt, dass ich sagen muss, was ich mir erträume, egal wie verrückt das klingt. Und wenn dann jemand kommt und sagt: "Klingt gut, mach doch. Das ist doch genau dein Ding!" dann geht was, dann entwickelt man Ziele und dann erkennt man Möglichkeiten an die man nicht zu glauben gewagt hat.. Deswegen kämpfe ich immer noch mit meinem Chaos, aber der Kampf wird ein guter...
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  • Nachteulchen, Regenbogen
#12
Super, das klingt nach Gold in all der Zeit.
#13
Danke euch für die Antworten!
Das mit der Bedürfnispyramide ist mir (vor lauter Bäumen im Wald) gar nie in den Sinn gekommen!
Denn aktuell habe ich eben nicht mal richtige Wünsche oder so. Klar, ich habe diese obsessiven Kurzfeuerleidenschaften (habe mich neulich in ein Auto verliebt und plötzlich das Gefühl gehabt "DAS will ich!!". ? Kannte ich so gar nicht mehr.), aber die sind eben sehr kurzlebig und meist auch kaum realisierbar. Im Fall des Autos mangelt es an allem, vom Führerschein bis zum Platz und Geld.

Aber viellicht ist es wirklich so, dass ich erst mal mich selber soweit gesund bekommen muss, dass ich anfangen kann, Ziele zu entwickeln. Hmm. Muss ich mal mit der Therapeutin besprechen.

Danke!

Danke auch an Andi. Du machst mir Hoffnung, dass ich es auch irgendwie schaffen kann, wenn ich nur herausfinde, was ich brauche. ?
Andi gefällt dieser Beitrag
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  • Andi, Emely, Sniper
#14
Ich denke ohne große Ziele lebt es sich allgemein auch einfacher. Ich selbst würde mir zuviel druck machen und traurig sein, wenn ich sie nicht erreiche weil ich auf halber Strecke aufzugeben pflege. Also von daher ist es vielleicht auch gut so wie es ist.
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  • Brunhilde78, Emely